Routing Strategie und Praxisbeispiele

Das Call Routing in der innoACD basiert auf einem dynamischen Bewertungssystem. Für jede Kombination aus Anruf und Agent wird eine Routingbewertung ermittelt. Diese Bewertung entscheidet, welcher Agent den Anruf erhält.
Die Routingbewertung ergibt sich aus drei Faktoren:
Skill-Level des Agenten für das Thema des Anrufs
Wartezeit des Anrufs in der Queue
Agentenauslastung (Verhältnis von Gesprächszeit zu Anmeldezeit)
Die Gewichtung dieser Faktoren wird pro Queue individuell festgelegt. Je höher die Gewichtung eines Faktors, desto stärker beeinflusst er die Routingbewertung. Die agentenseitigen Skill-Level sind dabei entscheidend: Agenten mit höherem Skill-Level erhalten bei gleicher Gewichtung eine höhere Bewertung und werden bevorzugt zugeteilt.

Für eine bessere Darstellung der Verhältnisse, erfolgt ab Version 2.0.0 die Konfiguration der Routingstrategie per Schieberegler.
Wichtiger Hinweis zur Gewichtung
Entscheidend für das Routingverhalten ist nicht der absolute Wert der einzelnen Gewichtungen, sondern das Verhältnis der Gewichtungen zueinander.
Das bedeutet:
Eine Routingstrategie mit 30 % / 30 % / 40 % führt zu exakt demselben Verhalten wie eine Strategie mit 60 % / 60 % / 80 % – weil das Verhältnis (3:3:4) identisch ist.
Die Gewichtungen bestimmen also die Relevanz jedes Faktors im Vergleich zu den anderen, nicht dessen isolierten Einfluss.
Beispiel: Beide Strategien bevorzugen „Agentenauslastung“ leicht gegenüber den anderen beiden Faktoren. Das Routingverhalten ist identisch.
Faktor | Strategie A | Strategie B |
---|---|---|
Skill | 30% | 60% |
Wartezeit | 30% | 60% |
Agentenauslastung | 40 % | 80 % |
Warum ist das wichtig?
Es geht darum, welcher Faktor stärker gewichtet wird – nicht wie hoch der Wert an sich ist.
Eine gleichmäßige Gewichtung aller drei Faktoren (z. B. 33 % / 33 % / 33 %) sorgt für ein ausgewogenes Routing, unabhängig davon, ob die Werte bei 10 % oder 90 % liegen.
Wenn ein Faktor im Verhältnis zu den anderen höher liegt, hat dieser in der Routingbewertung mehr Einfluss auf die Auswahl der Anruf-Agenten-Paarung.
Beispiele für verschiedene Routingstrategien
Fachlich optimiertes Routing
Situation:
Ein Kunde ruft mit einer komplexen technischen Frage an, z. B. zur Systemintegration oder Fehleranalyse. Die Bearbeitung erfordert fundiertes Fachwissen und Erfahrung.
Queue: IT-Hotline
Strategie:
- Skill-Level: 80 %
- Wartezeit: 10 %
- Agentenauslastung: 10 %
Erklärung:
Diese Strategie legt den Fokus auf die Qualifikation des Agenten. Die Routingbewertung wird stark vom Skill-Level beeinflusst. Agenten mit hoher Fachkompetenz erhalten den höchsten Wert und werden bevorzugt zugeteilt – selbst wenn andere Agenten weniger ausgelastet wären.
Dies stellt sicher, dass komplexe Anliegen fachlich korrekt und effizient bearbeitet werden.
Das System priorisiert Agenten mit dem höchsten Skill-Level für den geforderten Skill.
Schnelligkeit vor Fachlichkeit
Situation:
Ein Callcenter erhält viele einfache Anfragen, z. B. zu Öffnungszeiten, Lieferstatus oder allgemeinen Informationen. Die Inhalte sind leicht zu beantworten und erfordern keine tiefe Fachkenntnis.
Queue: Lieferstatusanfrage
Strategie:
- Skill-Level: 30 %
- Wartezeit: 60 %
- Agentenauslastung: 10 %
Erklärung:
Hier steht die Minimierung der Wartezeit im Vordergrund. Die Routingbewertung wird primär durch die Dauer des Wartens beeinflusst. Anrufe, die bereits lange in der Queue sind, erhalten eine höhere Bewertung – auch wenn der Agent nicht optimal qualifiziert ist.
Diese Strategie verbessert die Erreichbarkeit und reduziert Wartezeiten bei hohem Anrufvolumen.
Die Verfügbarkeit des Agenten ist wichtiger als Spezialisierung. Höher qualifizierte Agenten werden dennoch bevorzugt, wenn verfügbar
Gleichmäßige Verteilung
Situation:
Ein Support-Team mit ähnlicher Qualifikation soll gleichmäßig ausgelastet werden. Ziel ist es, Überlastung einzelner Agenten zu vermeiden und die Arbeitslast fair zu verteilen.
Queue: Support
Strategie:
- Skill-Level: 30 %
- Wartezeit: 30 %
- Agentenauslastung: 40 %
Erklärung:
Die Routingbewertung berücksichtigt alle drei Faktoren relativ gleichmäßig, mit leichtem Fokus auf die Agentenauslastung. Agenten, die weniger ausgelastet sind, erhalten bevorzugt neue Anrufe. Gleichzeitig wird darauf geachtet, dass Wartezeiten nicht zu lang werden und die Qualifikation ausreichend ist.
Diese Strategie eignet sich besonders für homogene Teams mit gleichwertiger Expertise.
Keine starke Spezialisierung notwendig. Gleichmäßige Verteilung wird durch ähnliche Bewertungen ermöglicht.
VIP-Behandlung (simuliert über Queue)
Situation:
Ein Premiumkunde ruft an. Die VIP-Erkennung erfolgt über eine separate Queue und einen speziellen Skill „VIP“. Ziel ist es, diese Kunden bevorzugt zu behandeln – auch ohne automatische Nummernerkennung.
Queue: VIP-Anrufe
Strategie:
- Skill-Level: 70 %
- Wartezeit: 20 %
- Agentenauslastung: 10 %
Agentenseitige Skill-Level:
- Skill „VIP“: 90–100 % Skill-Level
- Andere Skills: niedriger gewichtet (z. B. 50 %)
Erklärung:
Die Routingbewertung wird stark vom Skill-Level beeinflusst. Agenten mit dem Skill „VIP“ erhalten durch ihren hohen Skill-Level eine höhere Bewertung. Die separate Queue sorgt dafür, dass VIP-Anrufe nicht mit Standardanfragen konkurrieren.
Diese Strategie simuliert ein VIP-Routing, bis eine automatische Erkennung verfügbar ist.
So wird sichergestellt, dass VIP-Anrufe bevorzugt behandelt werden
Notfallrouting über Emergency-Queue
Situation:
Ein Alarmruf geht ein, z. B. aus einem Sicherheits- oder Gesundheitsbereich. Die Bearbeitung muss sofort und durch speziell geschulte Agenten erfolgen.
Queue: Emergency
Strategie:
- Skill-Level: 100 %
- Wartezeit: 0 %
- Agentenauslastung: 0 %
Agentenseitige Skill-Level:
- Skill „Emergency“: 100 % Skill-Level
- Andere Skills: bewusst niedriger (z. B. 50 %), um Priorisierung zu sichern
Erklärung:
Diese Strategie basiert ausschließlich auf dem Skill-Level. Sobald ein Agent mit dem Skill „Emergency“ und 100 % Skill-Level verfügbar ist, wird der Anruf sofort zugeteilt – unabhängig von Wartezeit von Anrufen in anderen Queues oder der Agentenauslastung.
Dies garantiert eine schnelle und fachlich korrekte Bearbeitung kritischer Anrufe.
Beispiel für drei Queues bei einer Versicherung mit Routingüberläufen
In Versicherungs-Contact-Centern ist eine effiziente Anrufverteilung entscheidend für Kundenzufriedenheit und optimale Ressourcennutzung. Unterschiedliche Anfragen – von einfachen Servicefällen bis zu dringenden oder komplexen Anliegen – erfordern passende Bearbeitungsstrategien.
Das Modell nutzt drei Queues:
Notfall-Queue für dringende Anliegen,
Fach-Queue für komplexe Anfragen,
Service-Queue für einfache, schnell abzuarbeitende Fälle.
Skillbasiertes Routing und Überlaufmechanismen ermöglichen, dass qualifizierte Agenten bei Bedarf flexibel unterstützen. So werden Wartezeiten minimiert und die Servicequalität maximiert.
Merkmal | Notfall-Queue (z. B. Eskalationen, Vorstandsanfragen) | Fach-Queue (z. B. Lebensversicherung) | Service-Queue (z. B. Adressänderung, Rückfragen) |
---|---|---|---|
Ziel | Sofortige Bearbeitung dringender Anliegen | Fachlich fundierte Bearbeitung komplexer Fälle | Gleichmäßige Auslastung und schnelle Bearbeitung |
Beispielhafte Anfragen | Eskalierte Leistungsfälle, Beschwerden, Vorstandsanfragen | Rentenberechnung, Vertragsoptimierung | IBAN-Änderung, Rückfragen zu Schreiben, Versandstatus |
Skill-Level Gewichtung | 100 % | 80 % | 30 % |
Wartezeit Gewichtung | 0 % | 10 % | 30 % |
Agentenauslastung Gewichtung | 0 % | 10 % | 40 % |
Routingstrategie | Jeder verfügbare Agent mit Notfall-Skill übernimmt sofort – höchste Priorität im System | Bevorzugt Agenten mit hohem Fachwissen; Service-Agenten springen bei Bedarf ein | Bevorzugt Service-Agenten mit geringer Auslastung; Fach-Agenten übernehmen nur bei Bedarf |
Beispielhafte Skill-Level
Agententyp | Skill „Notfall“ | Skill „Lebensversicherung“ | Skill „Adressänderung“ & „Rückfragen“ |
---|---|---|---|
Fach Agenten | 100 % | Hoch (z. B. 80 %) | Niedrig (z. B. 30 %) |
Service Agenten | 100 % | Niedrig (z. B. 30 %) | Hoch (z. B. 80 %) |
Alle Agenten im System verfügen über den Skill „Notfall“ mit 100 % – sie sind also gleichermaßen dafür qualifiziert, Notfallanfragen sofort zu übernehmen.
Priorisierung & Routingbewertung
Die Notfall-Queue besitzt absolute Priorität, da:
der Skill-Faktor in der Routingstrategie mit 100 % Gewichtung definiert ist
und die Agenten für den Notfall-Skill ebenfalls 100 % Kompetenz aufweisen
Dadurch ergibt sich für Notfallanfragen die höchstmögliche Routingbewertung, unabhängig von anderen Faktoren wie Wartezeit oder Auslastung.
Sobald ein Notfallanruf eingeht, wird er immer zuerst vermittelt – an den nächstverfügbaren Agenten, noch bevor Anrufe in der Fach- oder Service-Queue berücksichtigt werden.
Verhalten im Zusammenspiel mit Fach- und Service-Queues
Während Notfallanfragen sofort priorisiert werden, arbeiten Fach- und Service-Queues weiterhin mit einer intelligenten Verteilung basierend auf:
Skill-Level
Wartezeit
Aktueller Auslastung
Überläufe zwischen den Queues ermöglichen zusätzliche Flexibilität:
Service-Agenten können Fachanfragen übernehmen (wenn notwendig und qualifiziert)
Fach-Agenten springen bei Serviceanfragen ein, wenn sonst niemand verfügbar ist
Anmeldung in Queues
Agenten müssen in der jeweiligen Queue angemeldet sein, um für das Routing berücksichtigt zu werden – das gilt für:
die Fach-Queue (z. B. Lebensversicherung),
die Service-Queue (z. B. Adressänderung),
und auch die Notfall-Queue.

Zusammenfassung
✅ 100 % Gewichtung und 100 % Kompetenz im Notfall-Skill sorgen für sofortige Zuteilung der Anrufe
✅ Notfallanfragen werden immer vorrangig bearbeitet, noch vor Fach- und Service-Themen
✅ Alle Agenten sind technisch und fachlich in der Lage, Notfallanfragen zu übernehmen
✅ Fach- und Service-Queues nutzen bewährte Verteilstrategien mit Skill-, Zeit- und Lastbewertung
✅ Überlaufmechanismen zwischen Fach- und Servicebereich erhöhen die Erreichbarkeit